Samstag, 30. Januar 2010

Bürgerkrieg

Es geht hier nicht um eine historische Epoche. Nein, ich möchte mal etwas loswerden, was mich schon seit mindestens anderthalb Jahren umtreibt. Im Jahr 2008 hat es zu einigen sehr unschönen Erlebnissen in meiner eigenen Hobbyausübung geführt. Das Jahr 2009 war zum Glück ruhiger. Aber das Problem bleibt.

Ich schreibe diesen Text nicht auf Grund irgendwelcher gerade aktueller Ereignisse. Irgendwas ist ja eigentlich immer….

Den Begriff "Bürgerkrieg" wähle ich, weil ich damit eine Situation beschreibe, bei der im gleichen "Land" mehrere Parteien erbittert gegeneinander kämpfen. Manchmal weiß man nicht einmal, wann und warum es angefangen hat. Vermutlich haben beide Parteien davon auch unterschiedliche Versionen. Jedenfalls kann es dazu führen, dass Menschen, die eigentlich etwas gemeinsam haben und manchmal auch Freunde sind, sich plötzlich auf verschiedenen Seiten der Barrikade wiederfinden. Dass einem Entscheidungen für oder gegen eine Partei aufgenötigt werden. Dass es fast unmöglich ist, sich aus allem rauszuhalten, wenn man überhaupt mit Menschen zu tun hat, die irgendwie involviert sind.

Das Gespenstische ist, im Jahre 2008 bin ich gleich zwischen mehrere solche Bürgerkriegsfronten geraten. Und diese verschiedenen Kriegsschauplätze lassen sich auch nicht auf einen einzigen Konflikt zurückführen, d. h. es laufen gleich mehrere Kriege parallel und weitgehend unabhängig voneinander.

Aber lasst uns mal versuchen, den Ablauf ein wenig zu abstrahieren:

Wir sind im Hobby Living History. Ich besuche Veranstaltungen, bekomme über irgendwen Kontakte zu Veranstaltern, mache bei Museumsbelebungen und dergleichen mit. Die anderen Mitwirkenden kenne ich unterschiedlich gut, aber alle scheinen erst mal ähnliche Vorstellungen und Ideen zu haben wie ich. Eigentlich alles prima.

Dann bekommt man anhand der einen oder anderen spitzen Bemerkung mit, dass Person A und Person B offenbar nicht besonders gut miteinander können, denkt sich aber immer noch nix Schlimmes. Ich meine, es ist ein Hobby, man muss gar nicht mit jedem gleich gut auskommen.

Meines Feindes Freund ist mein Feind

Und dann passiert es. Zum Beispiel hatte man zu einer bestimmten Frage, wie eine Veranstaltung zu konzipieren bzw. mit einem Veranstalter zu verhandeln sei, unterschiedliche Auffassungen. Person B tauschte sich auch mal ohne Person A einzubeziehen mit einzelnen oder mehreren Diskutanten per Mail aus. Das nächste was geschah, war, dass ein ganzer Schwung von Personen mit einer sehr fadenscheinigen Begründung aus einem bestimmten Forum geworfen wurde, was auch indirekt zur Folge hatte, dass ich zu der Veranstaltung, über die wir da diskutiert hatten, keinen Zugang mehr hatte.

Noch mal zusammengefasst: Person A meinte, ich gehörte zur "Kriegspartei" von Person B und betrachtete mich daher offenbar als ihre Feindin.

Was übrigens damals in keiner Weise stimmte, und mit meiner Position in der damaligen Konzeptdiskussion hatte das auch wenig bis nichts zu tun. Der fast schon witzige Effekt ist nun natürlich der einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung: Mit Person B habe ich noch viel zu tun, mit Person A nicht mehr. Ich würde sie nicht als meine Feindin betrachten, aber mit jemandem, der sich mir gegenüber so unfreundlich verhält, möchte ich natürlich möglichst nicht mehr viel zu tun haben.

Eine andere Geschichte vom gleichen Kaliber, mit ganz anderen Personen, spielt sich mehr in Foren und Chats ab. Ich habe öfter mal den Eindruck, dass ich von der dortigen Person A immer mal wieder kritisiert bzw. angegriffen werde, nicht weil meine konkrete Äußerung ihren Missfallen erregt, sondern weil sie mich mit Person B in einem Boot wähnt und daher stets gewillt ist, alles was ich äußere, mit der Bürgerkriegsbrille zu betrachten.

Meines Feindes Feind ist mein Freund

Anders herum funktioniert das Ganze übrigens auch. Wenn Person B mit irgendeiner Person C verfeindet ist oder auch nur Differenzen mit C hat – z. B. mal deren Klamotten kritisiert hat -, dann scheint allein das schon ein Anlass dazu zu sein, dass Person A in Person C das Gute sucht und findet, da C als potentieller Verbündeter oder zumindest als Beweis für die Schlechtigkeit von Person B in Frage kommt.

In den vergangenen zwei Jahren hat es in der, ich nenne sie mal ganz pauschal Geschichtsvermittlerszene, mehrere hochinteressante Diskussionen gegeben, die zum Teil im Zusammenhang, zum Teil separat geführt wurden. Insbesondere ging es um Fragen der Konzeption von Museumsevents, deren Wissenschaftlichkeit bzw. überhaupt des zugrunde liegenden Wissenschaftsbegriffs sowie der Frage des Einflusses von Naziideologie auf einzelne Gruppen und die gesamte Szene. Leider war es an vielen Stellen kaum möglich, produktiv zu diskutieren, weil ganz offenbar zu viele Bürgerkriegsparteien involviert waren. Für Personen, die die ganzen Bürgerkriege nicht mitbekommen haben, ist es oftmals überhaupt nicht nachzuvollziehen, warum in Foren oder Chats relativ harmlose Äußerungen mit heftigen Schimpfkanonaden beantwortet werden. Typisch ist auch, dass sich niemals offen auseinandergesetzt wird, es wird sich dann oft so ausgedrückt "wenn einige Leute meinen, jetzt mit dem Finger auf andere zeigen zu können, dann sollten sie mal…."

"There is no decent place to stand in a massacre …" (Leonard Cohen)

Nachdem die jeweilige Person B sich klug verhält, nämlich ihre Auseinandersetzung schlicht nicht auf meinem Rücken austrägt, führt das Ganze natürlich dazu, dass ich zwangsläufig mehr mit Person B als mit Person A zu tun habe, dadurch natürlich mehr von ihrer Sicht der Dinge mitbekomme. Ganz abgesehen davon, dass es sich dabei ja auch um ein paar sehr nette Menschen handelt und man sich mit diesen gerne anfreundet.
Aber der Krieg ist nicht vorbei. Und ich merke, wie ich immer wütender werde. Ich bin eine diskussionsfreudige Frau, die gerne mal sagt, was sie denkt, und die (anders als andere in diesem Hobby, die ich durchaus verstehen kann) auch gern mal zu grundlegenden Diskussionen über konzeptionelle oder politische Aspekte unseres Hobbys meinen Senf beisteuere. Es ärgert mich maßlos, dass ich das an vielen Punkten nicht kann, um nicht noch tiefer in irgendwelche kriegerischen Auseinandersetzungen hineingezogen zu werden. Mir kribbeln die Finger, zu einem bestimmten Thema z. B. in einem Forum einen Beitrag zu schreiben, aber ich verzichte darauf, weil jemand anderes aus meinem Umkreis schon was geschrieben hat und ich befürchte, dass die "andere Seite" eine Verschwörung oder eine Großoffensive ihrer Feinde wahrnimmt, wenn ich jetzt auch noch etwas dazu meine. Auch wenn das, was ich zu sagen hätte, vielleicht einen ganz anderen Aspekt betrifft als den, den mein Vorgänger wichtig fand.
Und noch mehr ärgert mich natürlich, dass es sich auch noch auf mein Privatleben auswirkt. Zum Beispiel wenn ich plane, wen ich zu einer Party einladen soll…

"What's so civil about war anyway?" (Guns 'N Roses)

Ich habe lange überlegt, ob ich diesen Text veröffentlichen soll. Ich habe es nun getan, und ich weiß, dass ich damit etwas riskiere. Ich riskiere, dass dieser Text als weitere Waffe in irgendeinem Bürgerkrieg genutzt wird, und ich riskiere, einige Freundschaften zu belasten. Beides will ich nicht.

Aber das hier, verdammt, ist mein Blog. Meine Party. Und ich musste das einfach mal irgendwo loswerden.
Ich habe diesen Text, das sei auch noch gesagt, ganz allein geschrieben, mit niemandem diskutiert oder abgesprochen, und ich bitte darum, dass allfällige Reaktionen das dann bitte auch berücksichtigen und andere Leute da mal raus lassen.

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borre - 2010/01/30 21:19

Ich ergänze mal mit einer Geschichte vor einigen Wochen:

X ist verständlicherweise vom Bürgerkrieg schwer angenervt und verliert deswegen fast die Lust am Hobby. Er will mit diesem ganzen Krieg nichts zu tun haben.
Y (von X angeblich sehr geschätzt) lädt X zu einer Veranstaltung ein. X antwortet umgehend und deutlichst, dass er mit den §&&§$/$*ern im Umfeld dieser Veranstaltung nichts zu tun haben will und deswegen nicht kommen wird.

Ja, is' klar. Mit dem Krieg nichts zu tun haben wollen, aber ordentlich die "Feindesseite" dem Y reinwürgen. Y denkt eine Weile traurig nach und ist nicht amused.

Jøran-Njål, Vikingr (Gast) - 2010/02/02 19:23

Mhhh, kannst du mir vielleicht mal sagen, auf welcher Seite ich stehe? Bei so vielen Seiten komme ich hier echt durcheinander. ;)

Aber stimmt, schreibe in einem Forum deine Meinung und schon wird dein Kopf gefordert.

Und ich dachte immer, in der LH-Szene geht es friedlich zu aber da ich auch schon via E-mail Drohungen erhalten habe (wobei die Leute am Ende ja doch nichts machen FEIGLINGE!) bin ich nun absolut davon überzeugt: Ein Glück das ich keine Darstellung mache!

So und an meine "Feinde" (die ich immer verwechsel): :P

Jøran-Njål, Vikingr (Gast) - 2010/02/02 19:25

PS: Komisch das hier sonst keiner bisher einen Kommentar geschrieben hatte... aber vielleicht dafür in irgendeinem Forum ;)

Maren (Gast) - 2010/02/02 20:52

Dein Beitrag hat mich richtig beschäftigt und tut es immer noch.
Echt mutig von Dir, das so auszusprechen.

Daß da Kriege toben, mit mitunter mehreren Fronten, hat mich schon 2008, als ich so langsam in die LH eingetaucht bin, bestürzt. Bin ich doch auch der Meinung, daß alle doch das selbe Hobby haben.

Schon schlimm, wenn man nicht unbedarft mit anderen reden darf, wenn man Gefahr laufen muß, andere damit zu verärgern..... oder so.

Oder daß man in Foren angegriffen wird.

Bisher ist mir selbst das (bis auf den Rauswurf aus einem bekannten Forum) noch nicht passiert, aber ich habe es doch schon mehrfach miterlebt......

In einer lebendigen Welt mit vielen unterschiedlichen Menschen muß es einfach unterschiedliche Meinungen geben. Und eigentlich sollten sich daraus entwickelnde Diskussionen oder Kritiken positiv und erfolgreich auswirken. Nur durch Kritik, Denkanstöße, Diskussionen, Austausch kann ich doch wachsen, lernen und mich verbessern. Sonst paddle ich doch wie eine Fliege mit Scheuklappen in immer derselben Suppe.....

dicker Bootsbauer (Gast) - 2010/02/05 22:48

Krieg im Kopf

.....habe deinen Text gerade erst gelesen...

schon komisch, genau das gleiche Problem treibt mich auch um........sehr sogar...

Wenn man sich vor Augen führt, um was in diesen Fällen gestritten wird.....da werden methodisch Differenzen angeführt, aber eigentlich geht es doch um persönliche Defizite und die Nichtakzeptanz dieser.
Warum nur sieht sich jeder als den Nabel der Welt?
Es hilft dir vielleicht nicht, aber ich finde es gut zu wissen das ich mit meinen Gedanken nicht allein bin.....

Man sollte mehr reden.

Kopf hoch und besseres Wetter wünscht dir,

der dicke Bootsbauer
Michael Kieweg (Gast) - 2010/02/27 10:08

Kriege in der Szene

Hallo

Ich habe deinen Text gerade erst gelesen und mich spontan darüber gewundert, daß du dich so wunderst... *Hach, toll formuliert*
Wir wünschen uns immer, das die Welt aus unserem eigenen Vorgarten rausbleiben soll, aber wir sollten doch wissen, daß das der Welt meistens scheißegal ist.
2 Gruppen haben unterschiedliche Vorstellungen, wie eine Sache angegangen werden soll, sie streiten und wenn die Argumente ausgehen, wird's persönlich - Alles ganz normal.
Ihr / du dürft nicht vergessen, daß es bei dieser Debatte nicht bloß um unterschiedliche Wege zum selben Ziel geht, sondern um ganz unterschiedliche Ziele.
Zumindest für die "eine Seite" dieses Bürgerkriegs geht es um massive finanzielle Interessen. Das sind keine Hobbyisten, bzw. sind es bloß deshalb NOCH Hobbyisten, weil sie den Sprung zum beruflichen Anbieter (das Wort professionell will ich an dieser Stelle mal vermeiden) noch nicht geschafft haben und sie sehen sich da von der anderen Seite massiv behindert.
Die ruhigen, sachlichen Beiträge in der Debatte kommen bezeichnenderweise meistens von den arrivierten leuten, die ihren Platz schon gefunden haben oder von denen, die Living History tatsächlich nur als Hobby betreiben (wollen).
Du solltest dich vielleicht mal fragen, ob du die Leute, die diesen "Krieg" bis in dein Privatleben tragen, wirklich um dich haben willst.
Wenn sie deine Freundschaft wert sind, werden sie deine Einstellung akzeptieren und zumindest außerhalb von Foren und Szeneumfeld die Füße still halten.
Wenn sie das nicht tun....

Just my 2ct

lunula - 2010/02/27 11:46

Hm, ganz so einfach ist es nicht immer.
Deine Analyse trifft sicher auf einige Kriege in der Szene zu, aber nun gerade nicht unbedingt auf die, die ich hier gerade meine.

Geschäftliche Interessen können dazu führen, dass diejenigen - klar, weil sie diese Interessen gefährdet sehen - gegen vermeintliche oder echte Konkurrenten mit harten Bandagen kämpfen. Andererseits kann es halt auch ein unfairer Vorwurf sein "klar, Person X kritisiert Person Y ja nur, weil sie sie aus dem Geschäft drängen will" - so einfach ist es halt auch nicht immer.
Und auch unter Nur-Hobbyisten gibts genug Gezänk.

Manchmal ist es ein wenig, wie wenn ein befreundetes Paar sich im Streit trennt und man in Konflikte hineingezogen wird. Klar, am einfachsten wär es, mit beiden den Kontakt abzubrechen. Aber das ist auch nicht grad immer schön.

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